Die Wasserstoff-Strategie der Bundesregierung klingt wie die Beschreibung eines Weges in die Zukunft, von dem die Realität irgendwann abgebogen ist.
Der Bundesrechnungshof warnt wegen Verzögerungen beim Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft in Deutschland vor Milliardenrisiken für den Steuerzahler. Trotz milliardenschwerer Förderungen verfehle die Regierung ihre Ziele – es drohe eine Dauerförderung mit erheblichen Folgen für die Bundesfinanzen, heißt es einem Sonderbericht der Behörde [1].
„Trotz milliardenschwerer Förderungen verfehlt die Bundesregierung ihre ambitionierten Ziele beim Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft. Angebot und Nachfrage bleiben deutlich hinter den Erwartungen zurück. Dies gefährdet das Erreichen der Klimaneutralität bis 2045 und die Zukunftsfähigkeit des Industriestandorts Deutschland. Und solange nicht absehbar ist, dass Wasserstoff preislich wettbewerbsfähig wird, droht eine staatliche Dauerförderung die bereits aus den Fugen geratenen Bundesfinanzen weiter unter Druck zu setzen“, sagte der Präsident des Bundesrechnungshofes, Kay Scheller, anlässlich der Veröffentlichung eines Sonderberichts zur Umsetzung der Wasserstoffstrategie des Bundes. „Es ist Zeit für einen Realitätscheck. Das verantwortliche Wirtschaftsministerium hat selbst erkannt, dass es sein Vorgehen anpassen muss. Nun muss es auch konsequent handeln.“
Der Bund hat bereits in den Jahren 2024 und 2025 mehr als 7 Mrd. Euro vor allem an Subventionen bereitgestellt. Vorbindungen in Milliardenhöhe bestehen bis Ende des Jahrzehnts. Zusätzlich sichert er den Aufbau der Netzinfrastruktur finanziell ab. Die Ziele der Wasserstoffstrategie erreicht die Bundesregierung trotz dieses finanziellen Engagements bisher nicht.
Der Bundesrechnungshof stellte fest, dass sich Angebot und Nachfrage von grünem Wasserstoff in Deutschland bislang nicht wie geplant entwickelt haben.
Ein ausreichendes Angebot an Wasserstoff soll durch inländische Erzeugung und mindestens zur Hälfte über Importe sichergestellt werden. Die Bundesregierung wird ihre inländischen Erzeugungsziele für grünen Wasserstoff bis 2030 nicht erreichen. Auch wird der erwartete Bedarf nicht durch Importe gedeckt werden können.
Zugleich entwickelt sich die Nachfrage langsamer als erwartet. Die von der Bundesregierung initiierten Förderungen der industriellen Nutzung von Wasserstoff haben nicht zu der erhofften Nachfrage geführt, insbesondere aus der Stahlbranche. Es fehlt außerdem ein wesentlicher Nachfrageimpuls, solange Gaskraftwerke – anders als in der Vergangenheit geplant – nicht zwingend auf Wasserstoff umzurüsten sind.
Grüner Wasserstoff ist weiterhin deutlich teurer als fossile Energieträger wie Erdgas. Da er absehbar nicht zu wettbewerbsfähigen Preisen erzeugt oder importiert werden kann, ist eine staatliche Dauerförderung absehbar. Um die Preisdifferenz zwischen Wasserstoff und Erdgas auszugleichen, könnten 2030 allein für Importe Belastungen in Höhe von 3 bis 25 Milliarden Euro für den Bundeshaushalt entstehen.
Auch der Aufbau des Wasserstoff-Kernnetzes ist mit erheblichen Risiken für den Bundeshaushalt verbunden. In einer Hochlaufphase erhalten die Kernnetzbetreiber einen Teil ihrer Netzkosten statt von den Netznutzern aus einem staatlich abgesicherten Darlehen. Das Darlehen soll später aus überschießenden Netzentgelterlösen getilgt werden. Dies setzt jedoch voraus, dass sich ausreichend Nutzer an das Netz anschließen. Scheitert der Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft, kann der Finanzierungsmechanismus den Bundeshaushalt zusätzlich mit einem zweistelligen Milliardenbetrag belasten.
Der Bundesrechnungshof empfiehlt der Bundesregierung,
- die Wasserstoffstrategie und deren bisherige Umsetzung einem Realitätscheck zu unterziehen und dabei neu zu bewerten, ob und wann grüner Wasserstoff ohne dauerhafte Subventionen in ausreichenden Mengen, zu einem wettbewerbsfähigen Preis sowie klimaneutral und nachhaltig verfügbar sein kann,
- bei dieser Erfolgskontrolle zu prüfen, welchen Beitrag die Wasserstoffwirtschaft zur Energiewende insgesamt leisten kann,
- die Wasserstoffstrategie so zu überarbeiten, dass Angebot, Nachfrage und Infrastruktur möglichst synchron und wirtschaftlich aufgebaut werden sowie
- nach einer Neubewertung gegebenenfalls rechtzeitig einen Plan B zu entwickeln, um die Klimaneutralität bis 2045 auch ohne eine dauerhaft subventionierte Wasserstoffwirtschaft zu erreichen.
Für die Bundesregierung hat Wasserstoff eine Schlüsselrolle in der Energiewende, Deutschland soll bis 2045 klimaneutral sein und gleichzeitig als Industriestandort zukunftsfähig bleiben. Klimaneutral hergestellter („grüner“) Wasserstoff soll fossile Energieträger dort ersetzen, wo Strom aus erneuerbaren Energien nicht direkt genutzt werden kann. (Vergl. auch hier, hier, hier, hier)
[1] https://www.bundesrechnungshof.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2025/wasserstoffstrategie.html