Unter diesem Titel greift Angelika Melcher in der WirtschaftsWoche vom 31. Oktober 2022 die unkonventionelle Fördermöglichkeit von Erdgas in Deutschland auf, Gas, das „vor der eigenen Haustür gefördert werden kann“ und das die Abhängigkeit von Lieferländern verringert. Rund die halbe Bundesrepublik heize mit Erdgas.
Auch Bundesfinanzminister Christian Lindner habe, wie sie schreibt, erneut für einen schnellen Einstieg in die Erdgasförderung in Deutschland geworben. „Wir haben in Deutschland erhebliche Gasvorkommen, die gewonnen werden können, ohne das Trinkwasser zu gefährden“, sagte der Vorsitzende der FDP den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (30.10.2022). „Die Förderung ist auch unter ökologischen Voraussetzungen verantwortbar.“ Lindner forderte: „Wir müssen rasch an die Förderung herangehen“. Er sei zuversichtlich, dass Deutschland in wenigen Jahren einen relativ großen Bedarf aus heimischen Gasquellen decken könnte, sagte Lindner. „Es ist ratsam, das zu tun, wenn man sich die Entwicklung auf der Welt anschaut.“ Es sei nicht verantwortbar, aus ideologischen Gründen auf Fracking zu verzichten, fügte er hinzu.
2016 wurde unkonventionelles Fracking, bei welchem das Gas aus Schiefer-, Ton-, Mergel- oder Kohleflözgestein gefördert wird, gesetzlich verboten. Ziel des Verbots war es, Umwelt und Gesundheit vor den Risiken des Einsatzes dieser Technologie zu schützen.
Das konventionelle Fracking wurde in Deutschland seit den 1960er-Jahren bereits über 300 Mal betrieben, ohne dass es problematische Vorfälle gab. Aktuell werden in Deutschland jedoch jährlich lediglich rund fünf Milliarden Kubikmeter Erdgas aus konventionellen Lagerstätten gefördert. Die Vorkommen sind begrenzt, Ende 2021 werden vom Bundesverband Erdgas, Erdöl und Geoenergie (BVEG) die sicher förderbaren Reserven nur noch mit rund 32 Milliarden Kubikmeter in den konventionellen Lagerstätten angegeben.
Weiter heißt es in ihrem Artikel: Der BVEG schätzt auf Basis der Bewertung der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR), dass mithilfe von unkonventionellem Fracking 450 Milliarden Kubikmeter Erdgas aus Kohleflözen gewonnen werden können. Bei Schiefergesteinen sind es sogar bis zu zwei Billionen Kubikmeter. Ein riesiger Sprung im Vergleich zu den bisher rund 5 Milliarden, die aus konventionellem Fracking zur Verfügung stehen. Lesen Sie dazu auch unsere Artikel hier, hier, hier und hier.
BVEG-Hauptgeschäftsführer Dr. Ludwig Möhring betont das Ausmaß der Gas-Krise und wie wichtig es ist, langfristig zu handeln: „Wir müssen uns starke Gedanken machen, wie wir die Gasversorgung auch mittel- und langfristig sicherstellen. Politiker und Politikerinnen begrenzen ihre Überlegungen meist auf die kommenden 1,5 Jahre, dieser Fokus ist zwar politisch motiviert nachvollziehbar, aber bis dahin wird die Krise bei weitem nicht ausgestanden sein.“ Der globale LNG-Markt könne diesen großen Bedarf schon auf Grund von Vorlaufzeiten für Jahre nicht zu günstigen Preise abdecken. Europa und Deutschland müssten daher auch andere Lösungen, insbesondere auch die Potenziale der heimischen Förderung, ernsthaft untersuchen. Eine solche Option sieht er in der Förderung von Schiefergas. Dieses könnte zehn bis 15 Prozent des Gesamtbedarfs in Deutschland decken.
„Rein technisch würde es sechs Monate von der Bohrung bis zur Förderung dauern“, so Möhring, „zunächst müsste jedoch das Gesetz angepasst werden.“ Außerdem würden dann eine Reihe von Umweltverträglichkeitsprüfungen und Genehmigungsprozessen hinzukommen, bis die Bohraktivitäten begonnen werden könnten. Jedoch zeige das Beispiel der LNG-Terminals, dass bei solchen Verfahren Beschleunigungen möglich sind, erklärt Möhring. So sollen bald die ersten LNG-Terminals in Wilhelmshaven, Brunsbüttel und Stade entstehen.
Außerdem habe sich seit der Gesetzeslage von 2016 einiges getan, erläutert Möhring. „Als das Gesetz vor sechs Jahren verabschiedet wurde, hätte Fracking uns volkswirtschaftlich nur einen vergleichsweise geringen Nutzen gebracht, weil wir weiter günstiges russisches Gas bekommen haben“. Heute könne Fracking erheblich dabei helfen, die drängenden Probleme der Gasversorgung zu lösen, insbesondere auch die Preise zu drücken. Er plädiert dafür, die Diskussion zu versachlichen und eine gut informierte Entscheidung zu treffen. „Nicht nur die volkswirtschaftliche Situation hat sich geändert, auch die technische Entwicklung bei der Schiefergasförderung ist vorangeschritten.“ So sei die Politik gut beraten, sich anzuschauen, wie die Schiefergasförderung in Deutschland konkret aussehen würde, bevor Entscheidungen getroffen werden.
Erst im vergangenen Jahr legte eine von der Bundesregierung beauftragte Expertenkommission Fracking einen Bericht zum Ausmaß der Risiken vor. Die Kommission kam zu dem Schluss, „dass sich die Umweltrisiken aufgrund von Fracking unkonventioneller Lagerstätten durch eine angepasste Steuerung und Überwachung der Maßnahmen minimieren lassen“. Damit sei schon mal eine Weiche gestellt.