Ernste Sorgen um die Strom-Versorgungssicherheit in der Schweiz

Die Stromversorgungsicherheit wird ein zunehmend brisanteres Thema. Nicht nur bei uns, auch in der Schweiz. Im Geleitwort zum Buch von Hansruedi Völkle „Kernenergie“ äußert sich Eduard Kiener, der ehemalige Direktor des Schweizer Bundesamtes für Energie [1] besorgt über die Entwicklung der Stromversorgung in der Schweiz, eine Sorge, deren Anlass auch von unseren Regierenden für unser Land sehr ernst genommen werden muss:

„In der Schweiz soll der nuklear erzeugte Strom durch solchen aus erneuerbaren Quellenersetzt werden. Da auch in der Schweiz die Wasserkraft nurmehr unbedeutend ausgebaut werden kann, wenn überhaupt, ruhen die Hoffnung auf den sogenannten erneuerbaren Energien Fotovoltaik, Wind, Biomasse und Geothermie. Es bestätigt sich immer deutlicher, dass ihre Entwicklung bei Weitem nicht genügt, um die Kernenergie fristgerecht zu ersetzen.

Einzig die Fotovoltaik erreiche etwa den für die Zielerreichung der Energiestrategie 2050 notwendigen Zubau. Wind und Biomasse stagnieren, ob jemals Strom aus Geothermie erzeugt wird, ist offen. Zudem wird die Subventionierung der neuen erneuerbaren Stromquellen in absehbarer Zeit enden.

Die Schweiz verfügt längst nicht mehr über genügend eigene Elektrizität, vor allem im Winter. Die Stromlücke wird sich mit dem Ausstieg aus der Kernenergie ausweiten und die Abhängigkeit von Stromimporten zunehmen. Diese stammen überwiegend aus fossiler Erzeugung, vor allem aus Kohlekraftwerken. Die Schweiz verbraucht damit vermehrt CO2-belasteten Strom.

Ihre Versorgungsstrategie beruhe auf der trügerischen Hoffnung, Strom könne immer importiert werden. Dies wird immer weniger der Fall sein, denn Deutschland legt in Kürze seine restlichen Kernkraftwerke still und will auch aus der Kohle aussteigen, und Frankreich plant die Reduktion des Nuklearstromanteils.

 […..] Die Subvention nuklear erzeugter Energie durch Fotovoltaik und Wind ist energiewirtschaftlich alles andere als sinnvoll. Und sie ist auch für Klima und Umwelt nachteilig, wie die von maßgeblichen Forschungsinstituten PSI (Paul-Scherrer-Institut) und Empa für die verschiedenen Stromerzeugungstechnologien ermittelten Technologieindices zeigen. (Anm.: Die Empa ist das interdisziplinäre Forschungsinstitut des ETH-Bereich für Materialwissenschaften und Technologie.)

Einzig die Wasserkraft ist bezüglich des spezifischen Treibhausgasausstoßes vorteilhafter als die Kernenergie. Wer es ernst meint mit dem Klimaschutz, der muss die weitere Nutzung der Kernenergie und gleichzeitig den Ausstieg aus den fossilen Energie fordern. […..]“

Die Schweiz wie auch Deutschland gehören einem Strom-Verbundnetz an, dem ein Großteil der kontinentaleuropäischen Nationen angeschlossen ist. Der Zusammenschluss soll höhere Versorgungssicherheit gewährleisten. Eine wesentliche Verpflichtung aller beteiligten Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB) besteht daher darin, stets über ausreichend Regelleistung zu verfügen, um die über Frequenzschwankungen sichtbaren Abweichungen der Leistungsbilanz durch Regelprozesse selbst ausgleichen zu können. ÜNB sind Betreiber von überregionalen Netzen auf der Höchstspannungsebene. Koordiniert wir das Verbundnetz von der ENTSO-E.

Doch auch der Zusammenschluss ist keine absolute Gewähr für die Vermeidung eines überregionalen Stromausfalls. Erinnern wir uns: Am 4. November 2006 führte ein gravierender Störfall im kontinentaleuropäischen Stromnetz zu Stromausfällen im Großteil des Netzes. Ausgangspunkt war eine Hochspannungsleitung im Emsland, die wegen einer Schiffsüberführung vorübergehend abgeschaltet werden musste. Die E.on-Netz hatte bereits kurz danach die Verantwortung für den Ausfall übernommen.

„Mit jedem abgeschalteten konventionellen Kraftwerk steigt die Gefahr eines großflächigen und mehrtägigen Stromausfalls (Blackout) exponentiell. Die hier entstehenden Verhältnisse wären desaströs für die Bundesrepublik. Es ist bloß eine Frage der Zeit, wann sich Deutschland ohne Strom wiederfindet“, heißt es auf der Webseite des „Verein-Energiesicherheit“.

Als Maß der bestehenden Versorgungs(un)sicherheit lässt sich das Ausmaß der Netzeingriffe heranziehen. Die Anzahl der Eingriffe in die Netze, sogenannte Redispatch-Maßnahmen aufgrund von Schwankungen, stieg in Deutschland von vier pro Jahr (2006) auf über 5.000 (2018). 2017 kosteten allein diese Maßnahmen 1,4 Milliarden Euro. Gegenwärtig liegt die Zahl der Eingriffe für 2019 bereits bei über 6.000, Tendenz steigend mit weiterem Ausbau der Windkraft- und Solaranlagen.

 

[1] Strahlenschutzpraxis, Buchbesprechung, 26. Jahrgang 2020, Heft 4/2020, Seite 79f