Im März 2021 liegt die tragische Katastrophe im Kernkraftwerk von Fukushima infolge einer verheerenden Flutwelle zehn Jahre zurück. Für Deutschland war diese Katastrophe eine Zäsur der Kernenergienutzung. Nicht so in Japan. Dort wurden zwar aus Sicherheitsgründen bis 2014 sämtliche Kernkraftwerke vom Netz genommen, nach intensiver Sicherheitsprüfung wurden einige von ihnen aber wieder erneut „hochgefahren“. Im Jahr vor der Katastrophe trugen die japanischen Kernkraftwerke knapp 30% zur Stromerzeugung bei (Abbildung). Japan besitzt so gut wie kein Kohle-, Gas- und Ölvorkommen und ist daher auf Importe dieser Energieträger angewiesen.
Internationales
Das wird auch Deutschland bevorstehen…
…wenn 2022 das letzte deutsche Kernkraftwerk vom Netz geht.
Im Februar und Juni diesen Jahres wurden die beiden Kernkraftwerke in Fessenheim für immer außer Betrieb genommen. Die französische Regierung hat EDF mit 377 Millionen Euro entschädigt, als EDF auferlegt wurde, das Kernkraftwerk Fessenheim zu schließen.
Jetzt muss Frankreich wieder Kohlekraftwerke in Betrieb nehmen, um den Stromverlust auszugleichen. Eine absurde Situation, weil jeder in dieser Situation verliert.
Auszug aus Interview mit IAEA-Generalsekretär Rafael Grossi
In der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 26. 10. 2020 erschien ein Interview mit dem Generaldirektor der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) Rafael Grossi. Die Fragen stellte Stephan Löwenstein. In Anbetracht des deutschen Kernenergieausstiegs und der von der EU angestrebten Taxonomieregelung, die in der augenblicklichen Fassung keine Förderung der Kernenergie vorsieht, sind die Fragen und ihre Beantwortung durch Grossi zur Kernenergie von aktueller Bedeutung. Siehe dazu auch die IAEA-Kernenergieprognosen bis 2050.
Britischer Premier entfacht mediale Entrüstung
Eine interessante Meldung aus Großbritannien, die auch den Deutschen zu denken geben sollte:
Die Ankündigung des britischen Premierministers Boris Johnson vom 6. Oktober 2020, jedes Haus bis 2030 mit Windstrom zu versorgen und dass er mit „Sturmgeschwindigkeit“ arbeiten werde, um seine „grüne industrielle Revolution“ einzuleiten, hat in Medien [1] einen Sturm der Entrüstung hervorgerufen.
Niederlande plant neue Kernkraftwerke
Nach einem Bericht der WNN [1] erwägen die Niederlande den Ausbau der Kernenergie in ihrem Energiemix, so ein Schreiben des Ministers für Wirtschaft und Klimapolitik, Eric Wiebes, das letzte Woche dem niederländischen Parlament vorgelegt wurde, zusammen mit einem Bericht der Berater Enco. Das Kabinett wird nun einen Antrag vorbereiten, in dem das Land aufgefordert wird, eine Marktkonsultation durchzuführen, um das kommerzielle Interesse an nuklearen Neubauten zu bewerten.
Der Enco-Bericht [2] besagt, dass mit der „Systemkostenkorrektur“ die Niveaukosten für Strom aus Kernenergie 74 EUR / MWh (86 USD / MWh) betragen, was mit 85 EUR / MWh weniger ist als Offshore-Wind.
Die USA reaktivieren ihre Kerntechnologie
Das bislang preisgünstige, durch Fraking-Technik gewonnene Schiefergas (shale gas) hat den Energiemarkt der USA in den letzten Jahren mächtig durcheinandergewirbelt. Die Stromerzeugung in Kohle- und Kernkraftwerken konnte wirtschaftlich nicht mithalten. Der Bau neuer Kernkraftwerke unterblieb aus Kostengründen, auch weil die Laufzeitverlängerungen bestehender Kernkraftwerke auf 60 Jahre für den derzeitigen Bedarf ausreichten. Die Marktführerschaft der USA im Kerntechnikgeschäft wechselte in asiatische Länder.
Wie ein Blog des US Energieministeriums vom 21. August 2020 ausweist [1], müssen die USA wieder an die Spitze der nuklearen Innovationen geführt werden. Als beunruhigend wird empfunden, dass Amerika seine jahrzehntelange globale Wettbewerbsposition als Weltmarktführer für Kernenergie und Technologie an staatliche Unternehmen verloren hat, darunter Unternehmen in Russland, China und anderen konkurrierenden Nationen, die sich anstrengen würden, die Vereinigten Staaten zu übertreffen.
Dies sei nicht nur für die Gewährleistung einer sauberen, zuverlässigen und erschwinglichen Stromversorgung für das amerikanische Volk von entscheidender Bedeutung, sondern auch für die nationale Verteidigungsstrategie.
Die Strategie, wie die USA ihren Wettbewerbsvorteil in der Kernenergie wiedererlangen können, sieht vor, die Fähigkeiten in der Uranabbau-, Mahl-, Umwandlungs- und Anreicherungsindustrie wiederzubeleben, die Vormachtstellung der US-Technologie wiederherzustellen und aufrechtzuerhalten und die US-Exporte zu fördern, während gleichzeitig die Übereinstimmung mit den Nichtverbreitungszielen der USA sichergestellt und die nationale Sicherheit gestärkt wird.
Kernkraft könne Amerikanern zuverlässige Energie liefern und sei ein entscheidender Bestandteil der genannten Strategie. „Angesichts eines von Menschen verursachten Klimawandels sei es wichtig, dass wir nicht nur auf eine Energieform angewiesen sind.“
[1] World Nuclear News, „Viewpoint: You can’t have true energy independence without nuclear“, 24. August 2020
Energie-Utopien und technische Realität
Schauen wir einmal über den nationalen Tellerrand. Auch in Großbritannien gibt es Kritik an dem vollständigen Verzicht auf Kohle, Gas und Erdöl zur Stromerzeugung. Nachfolgend das Urteil eines britischen Fachmannes zur Decarbonisierung und sein Urteil über die Energiewende in Deutschland. Seine Aussagen sind auszugsweise und übersetzt wiedergegeben.
Michael Kelly:
„Die Entscheidung Großbritanniens, eine umfassende Dekarbonisierung der Wirtschaft in Angriff zu nehmen, ist von oberflächlichem Denken geprägt, das die technische Realität ignoriert. Das Netto-Null-Ziel der Regierung für 2050 sei ohne größere soziale Störungen nicht erreichbar“. Professor Michael Kelly ist emeritierter Professor für Ingenieurwissenschaften an der Universität von Cambridge und ehemaliger Chefwissenschaftler des Ministeriums für Gemeinden und Kommunalverwaltung [1].
Der goldene Weg der nachhaltigen Entwicklung
Die Energiedebatten der letzten zwanzig Jahre werden in unserem Land viel zu sehr durch die deutsche Brille geführt. Parteipolitische Sichtweisen spielen dabei eine dominante Rolle. Abgestimmtes Vorgehen in der Europäischen Union: Fehlanzeige. Gemeinsame Errungenschaften wie der EURATOM-Vertrag würden allzu gern aufgeweicht, lieber noch gecancelt. Seine funktionale Wertschätzung: erneut Fehlanzeige. Dabei werden die weltweiten Entwicklungen und Fortschritte zumindest auf dem Kernenergiegebiet übersehen oder ganz bewusst ausgeblendet. Egal, welche Verbesserungen sich inzwischen ergeben haben. International wird der energiepolitische Weg Deutschlands, gelinde gesagt, belächelt. Es werden Ziele ausgegeben, die auf Dauer nicht erfüllbar sein werden. Die Rede von der ökonomischen Selbstverstümmelung macht die Runde (hier). Umso wesentlicher ist es, auf die Erkenntnisse und Empfehlungen internationaler Ratgeber zu hören. Einer von ihnen ist:
Scott Foster, Direktor der Abteilung Nachhaltige Energie der Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen für Europa (UNECE). Er beschreibt, inwiefern die Energie der „goldene Weg“ ist, der die UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung verbindet und dass die Kernenergie eine Rolle im Energiemix der Zukunft zu spielen hat. Im Folgenden wesentliche Auszüge eines (ins Deutsche übersetzten) Vortrags [1], den Foster im Rahmen des Webinars der OECD-Atomenergieagentur hielt, um über seinen kürzlich veröffentlichten Policy Brief, Kernenergie und die kostengünstige Dekarbonisierung von Stromsystemen zu diskutieren [2].
Vor der ökonomischen Selbstverstümmelung wurde bereits 2007 gewarnt
Gelegentlich fördert das Durchblättern eigener Ablagen Artikel zu Tage, die trotz ihres Jahre zurückliegenden Erscheinens eine Überraschung auslösen. So der Artikel von Christian Bartsch, einem Ingenieur und Fachjournalisten, in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 27. März 2007 mit dem Titel „Mehr Licht im Dunkel des Klimawandels“ [1]. Schnee von gestern, dachte ich mir, umso erstaunlicher die Feststellung, dass dieser Artikel unverändert auch noch heute erscheinen könnte. Bedauerlich nur, dass sein „Licht“ aus Fakten und Folgerungen nicht zur geistigen Erhellung maßgeblicher Politiker nebst sie beratender Wissenschaftler geführt hat, die unbeirrt der Ansicht sind, dass die vom Menschen verursachten Kohlenstoffdioxid-Emissionen unseren Planeten aufheizen würden und Milliarden Euro ausgeben, die Verbrennung von Kohle, Öl und Gas langfristig zu verhindern. Die renommierte FAZ berichtete das genaue Gegenteil.
„Green Deal“ vereinbar mit Lissabon-Vertrag und Energiecharta?
Im folgenden Artikel wird die Rechtskonformität der europäischen Energiepolitik hinterfragt. Wir berichteten hier und hier über das Vorhaben der Europäischen Union, Taxonomie-Richtlinien aufzustellen, mit deren Hilfe sich die Umweltverträglichkeit einer wirtschaftlichen Tätigkeit feststellen lässt, um deren Förderungswürdigkeit beurteilen zu können. Die von der Kommission eingesetzte Technical Experts Group (TEG) für nachhaltige Finanzen kam zu dem Schluss, dass zu diesem Zeitpunkt „die Beweise für die Kernenergie komplex und im taxonomischen Kontext schwieriger zu bewerten sind“, was den möglichen erheblichen Schaden für andere Umweltziele betrifft. Das bedeutet, vorrangig „grüne“ Techniken fördern und keine finanzielle Unterstützung für die Kernenergie, weder für die Förderung noch für Neubauten.