Wasserstoffstrategie: Ein Ja-Aber. Kritische Anmerkungen

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Mit der Wasserstoffstrategie wird zur Rettung der Energiewende ein vermeintliches Ass aus dem Ärmel gezogen. Die Bundesregierung hat den Fokus ihrer am 10. Juni 2020 beschlossenen Nationalen Wasserstoffstrategie ganz auf „grünen“ Wasserstoff gerichtet. Gemeint ist die Erzeugung von Wasserstoff durch Elektrolyse mit ausschließlich CO2-frei hergestellter elektrischer Energie. Diese Strategie hat auch eine Kehrseite.

Laut Bundestagsdrucksache [1] besteht der Wasserstoff-Bedarf hauptsächlich für stoffliche Herstellungsverfahren im Industriesektor, in der Grundstoffchemie (Herstellung von Ammoniak, Methanol usw.) und in der Petrochemie (Herstellung konventioneller Kraftstoffe). Die Bundesregierung sieht bis 2030 einen Wasserstoffbedarf von circa 90 bis 110 Terawattstunden (TWh). Der nationale Verbrauch liegt aktuell bei rund 55 TWh.

Um einen Teil dieses Bedarfs im Jahr 2030 von ca. 90 bis 110 TWh zu decken, sollen bis zum Jahr 2030 in Deutschland Erzeugungsanlagen von bis zu 5 GW Gesamtleistung entstehen. Dies entspricht einer grünen Wasserstoffproduktion von bis zu 14 TWh. Um den zukünftigen Bedarf zu decken, wird der überwiegende Teil des benötigten Wasserstoffs aber importiert werden müssen [1].

In dem im Juni beschlossenen Konjunktur- und Zukunftspaket sind 7 Mrd. Euro für Wasserstofftechnologien in Deutschland sowie 2 Mrd. Euro für internationale Partnerschaften im Kontext von Wasserstoff vorgesehen. Großes Potenzial für Wasserstoffprojekte besteht beispielsweise in Marokko, Tunesien, Brasilien, Chile und Südafrika, aber auch in den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) oder Saudi-Arabien [1].

Wasserstoff enthält zwar mehr Energie pro Masse als jeder andere Brennstoff und zwar 39,39 kWh/kg. Der Energieinhalt von 1 kg Wasserstoff entspricht 3,3 kg Benzin. Aber bezogen auf das Volumen ist der Energieinhalt von Wasserstoff gering, selbst in flüssigem Zustand nur 2,79 kWh/Liter, was nur 31 % der Energie pro Liter Benzin entspricht. Wasserstoff erfordert daher große und schwere Tanks.

Wasserstoff muss durch Kompression oder Verflüssigung verpackt, Spezialfahrzeugen oder Pipelines transportiert, gespeichert und an den Endverbraucher übertragen werden. Die Vor-und Nachteile der Wasserstofftechnologie wurden hier gegenübergestellt. Auch über die Forcierung des kurzfristigen Wasserstoff-Einsatzes in der Wirtschaft wurde gewarnt.

Die wesentlichen Probleme der Wasserstofferzeugung im großem Stil sind nachfolgend nochmals in konzentrierter Form zusammengestellt:

  • Die elektrolytische Spaltung des Wassers ist sehr kostenintensiv.
  • Der für die Elektrolyse benötigte Gleichstrom-Bedarf ist weitaus größer, als selbst mit fortschrittlichster Technik jemals an Energie aus dem erzeugten Brenngas zurückgewonnen werden kann.
  • Zusammen mit Sauerstoff bildet Wasserstoff explosives Knallgas. Die maximale Flammengeschwindigkeit von Wasserstoff ist zirka acht Mal größer als die der kohlenwasserstoff-basierten Gase. Dies erklärt die Tendenz zu hohen Brenngeschwindigkeiten und auch die möglichen Umschläge in Detonationen. Aufgrund dieser Eigenschaften erfordert der Umgang mit Wasserstoff größte Sorgfalt.
  • Zur Herstellung von 1 kg Wasserstoff durch Elektrolyse werden 9 kg Wasser benötigt. Je nach Standort großer Elektrolyseanlagen kann dies zu einem Brauchwassermangel führen.
  • Aufgrund der geringe Dichte des Wasserstoffs (H2) und des Gewichtes des Druckgefäßes kann ein 40 Tonnen-LKW nur 320 kg auf 200 bar komprimiertes H2 Zum Vergleich: Methan 3,2 Tonnen auf 200 bar komprimiert [2] [4].
  • Pipeline-Transport von H2 benötigt gegenüber der gleichen transportierten Menge Erdgas die 4,6-fache Energie [2].
  • H2 hat die Eigenschaft, Stahlbehälter zu durchdringen und Stahlbehälter zu verspröden. Verluste sind dadurch unvermeidbar.
  • Für die elektrolytische Erzeugung von 1 kg Wasserstoff werden 55,5 kWh benötigt, wobei ein Elektrolysewirkungsgrad >60 % angenommen wird (Abbildung) [3].
  • Wiederholt wurde die Verwendung von überschüssigem „grünen“ Strom für die Elektrolyse genannt. Um die Größenordnungen, um die es hierbei geht, ins rechte Licht zu rücken, werde der Überschussstrom von 2019 herangezogen. Er betrug 6500 GWh. Durch Division mit 55,5 kWh (Dimensionen beachten!) lassen sich aus 6500 GWh rein rechnerisch rund 117.000 Tonnen Wasserstoff erzeugen. Dass dieser Überschussstrom nicht gerade am Ort der Elektrolyseanlagen zur Verfügung steht, soll angemerkt, aber für diese Betrachtung außeracht gelassen werden. Der oben genannte prognostizierte mittlere Wasserstoffbedarf in 2030 wird mit 100 TWh angegeben. Dieser Bedarf entspricht einer Wasserstoff-Masse von 2,54 Millionen Tonnen, also rund dem 22-fachen jener Masse, die mit überschüssigem „grünen“ Strom gewonnen werden kann.

Energie- und Massenbilanz der Elektrolyse.   Quelle: Holger Watter [3]

Eine Speicherung des Wasserstoffs, die ohne Komprimierung auskommt, würde die Transportsituation erheblich erleichtern, zudem auch die Wasserstoffverwendung in Kraftfahrzeugen als Brennstoff oder Synthesegas in der Brennstoffzelle. An metallorganischen Tanks wird intensiv geforscht. Bisherige Ergebnisse sind vielversprechend.

 

[1] Bundestagsdrucksache 19/21845 vom 25.08.2020, Ökologische Folgen und Kosten der Wasserstoffwirtschaft

[2] Ulf Bossel, Baldur Eliasson, Gordon Taylor, “The future of the hydrogen economy: Bright or Bleak“, tandfonline.com, 30. Dez. 2009

[3] https://holgerwatter.wordpress.com/2019/09/12/wasserstoff-aus-wind/?utm_source=sendinblue&utm_campaign=2021-03-14_CO2_hydrogen_and_what_is_the_worlds_best_energy_carrier&utm_medium=email

[4] http://co2coalition.org/wp-content/uploads/2020/10/2020-10-Schernikau-Renewables-CementReview-email-1-1.pdf, persönliche Mitteilung von L. Schernikau