Warum ist es gerade in vielen Teilen der Welt so warm? In den letzten vier Monaten haben wir rekordverdächtige Temperaturen erlebt. Der September lag im weltweiten Durchschnitt um 0,5 °C über dem bisherigen Rekordwert. 2023 wird mit Sicherheit das wärmste Jahr der instrumentalen Aufzeichnungsperiode. Das ist schon außergewöhnlich, aber was steckt hinter diesem plötzlichen Temperaturanstieg? Gerät die Temperaturentwicklung „außer Kontrolle“?
David Whitehouse von Net Zero Watch [1] hat sich näher umgesehen und umgehört. Hier sein Kommentar, fern von emotionalem Empfinden und nur auf Fakten beruhend:
Es ist ein Zustand, der unter Klimawissenschaftlern und Kommentatoren für viel Verwirrung gesorgt hat (oft dasselbe), von denen viele den plötzlichen Anstieg auf den Klimawandel zurückführen – aber dabei am Ende ziemlich verworren und widersprüchlich sind. Aber gibt es wirklich etwas, das “außer Kontrolle” geraten ist? Ist das ein abrupter Klimawandel? Vielleicht ein Übergang, das Überschreiten einer Schwelle?
Es gibt einige, die nach einer Erklärung für die Klima-Computermodelle suchen und sagen, dass das, was wir in den letzten Monaten gesehen haben, mit der erwarteten Erwärmung übereinstimmt, aber am oberen Ende der Skala liegt. Dies ist höchst unwahrscheinlich, da die Ereignisse von ein paar Monaten, insbesondere während eines starken El-Niño-Jahres, in dem es so viel Variabilität gibt, kein Klimawandelereignis sind, auch wenn Zeke Hausfather*) gesagt hat, dass das Jahr 2023 für das Klima ungewöhnlich war. Wenn man sich die Geschehnisse in Bezug auf die Klimamodelle ansieht, ist es ein klares Versagen, weil keines den Anstieg vorhergesagt hat – was einmal mehr ihre Unzulänglichkeit zeigt.
Kurz gesagt, es handelt sich nicht um den Klimawandel, denn – wie seriöse Klimawissenschaftler zu Recht betonen – kann ein plötzlicher Temperaturanstieg oder -abfall in einem einzigen Jahr (oder sogar in mehreren Jahren) ziemlich häufig auftreten und tut dies auch, obwohl dieses Jahr ein besonders ungewöhnlicher Anstieg ist. Nichtsdestotrotz ist dieser plötzliche Temperaturanstieg in einem viel zu kurzen Zeitraum, um durch die globale Erwärmung angetrieben zu werden, die ein langfristiger Trend ist.
Ein abrupter Klimawandel ist ohne menschlichen Zwang möglich und auch in jüngster Zeit nicht ungewöhnlich in der Klimageschichte. Zwischen 1976 und 1977 erlebte der tropische Pazifik eine rasche Erwärmung, die globale Auswirkungen hatte, auch über Nordamerika, das in den folgenden zwei Jahrzehnten feuchter als üblich war. Noch heute wird über die Ursache der Klimawende von 1976/77 gestritten.
Die Erklärung für das jüngste Ereignis hat nicht nur eine Ursache, sondern mehrere. Ein Hauptgrund, warum es in Teilen der Welt so heiß ist, ist der El Niño, der die Oberfläche eines Großteils des tropischen Pazifiks erwärmt. Dadurch steigen die globalen Durchschnittstemperaturen in der Regel um etwa 0,1 °C bis 0,2 °C, können aber aufgrund der Variabilität des Phänomens auch höher ausfallen. Nachdem er kürzlich aus einer dreifachen La Niña aufgetaucht ist, die den Planeten abkühlt, ist es vielleicht verständlich, warum dieser aktuelle El Niño so intensiv ist.
Und dann sind da noch die neuen Vorschriften für Schwefel in Schiffskraftstoffen, die die Schwefelaerosolemissionen, die die Luft über vielen Ozeanen, insbesondere dem Nordatlantik, gereinigt haben, drastisch reduziert haben. Tatsächlich sind die Meeresoberflächentemperaturen im Nordatlantik in diesem Sommer nach einer Phase rascher Erwärmung im Frühjahr sehr hoch. Weltweit übertrifft der Nordatlantik bei weitem alles, was wir in dieser Region gesehen haben.
Ein weiterer Faktor könnte der Ausbruch des Hunga Tonga im Südpazifik im vergangenen Jahr sein. Dabei wurden große Mengen Wasserdampf in die obere Atmosphäre injiziert, was wahrscheinlich den Treibhauseffekt verstärkte. Die ersten Schätzungen sind recht bescheiden, könnten aber im Laufe der Arbeiten revidiert werden.
Auch die Sonne könnte eine Rolle spielen, zumal dieser aktuelle Zyklus die Astronomen überrascht hat, indem er intensiver als erwartet war. Darüber hinaus haben wir anhaltende Hochdruckgebiete über vielen Landregionen wie Australien und Westeuropa gesehen.
Der Klimawandel bedeutet, dass diese Veränderungen auf eine erhöhte globale Temperaturbasis einwirken. Es ist jedoch zu beachten, dass der Klimawandel nicht erklärt, warum der September 2023 so viel wärmer ist als der September 2022. Der Hauptunterschied ist auf eine Kombination anderer Faktoren zurückzuführen.
Der beste Zeitpunkt, um zu beurteilen, was in den letzten Monaten passiert ist, ist, bis zum Jahr nach dem Abklingen des aktuellen El Niño zu warten. Es besteht eine große Wahrscheinlichkeit, dass die globalen Temperaturen sinken werden, so wie sie nach dem letzten großen El-Niño-Anstieg in den Jahren 2015/16 gesunken sind.
*) Zeke Hausfather ist Klimawissenschaftler und Energiesystemanalytiker, dessen Forschung sich auf Temperaturbeobachtungen, Klimamodelle und Minderungstechnologien konzentriert.
[1] https://www.netzerowatch.com/climate-out-of-control-a-reality-check/?mc_cid=b8e6cdffc5